Eine moderne Film-Odyssee
// Über den Film „Dance Fight Love Die“ von Asteris Kutulas //
Asteris Kutulas habe ich Anfang der 80er Jahre in Ostberlin kennengelernt. Seitdem sind wir nicht nur befreundet, sondern wir arbeiten auch eng zusammen. Asteris organisierte viele Konzerte, und wir reisten um die ganze Welt. Meistens waren es Konzerte mit meiner sinfonischen Musik. Oft habe ich bei diesen Aufführungen selbst dirigiert.
Ich erinnere mich, dass ich Asteris damals vorschlug, er solle mit der Kamera dieses gemeinsame Lebensabenteuer filmen. Proben, Konzerte, Interviews und nicht zuletzt auch die vielen alltäglichen Erlebnisse, wenn wir in den verschiedenen Ländern, Städten, Hotels, Konzertsälen waren und alles mögliche erlebten …
All das ergab eine 600stündige „ereignisreiche Situation“, die Asteris nach längerer Zeit noch einmal betrachtet und „durchsortiert“ hat. Obwohl, eigentlich war das seine Frau Ina, wie ich gehört habe. Für Asteris die Basis, um ein völlig neues Filmgenre zu kreieren. Das Filmwerk, das entstanden ist, beinhaltet viele kurze Ausschnitte dieser „modernen Odyssee“, und alle diese Ausschnitte sind zu einer magischen Welt zusammengefügt worden, in der es zahlreiche und überraschende Gegensätze gibt.
Die große Vielfalt meines musikalischen Werks war die „Montage-Leinwand“; sie stellte den Regisseur zugleich vor eine anspruchsvolle Aufgabe, die er lösen musste, um ein homogenes und filmisch eigenständiges Werk aus dieser ungeheuren Landschaften-, Menschen- und Klang-Vielfalt erschaffen zu können.
Weder war diese Herausforderung eine einfache, noch ist die künstlerische Lösungsfindung eine einfache. Neben umfangreicher Sachkenntnis muss man auch eine eigene poetische Ästhetik, eine Vision entwickelt haben – die geistige Voraussetzung dafür, dass aus dem puren Filmmaterial ein Kunstwerk werden kann. Meiner Meinung nach ist Asteris das gelungen. Sogar auf einem künstlerischen Gebiet, wo sich das Kunstwerk gegenüber kritischer Betrachtung von Experten und auch gegenüber der Betrachtung eines internationalen Publikums bewähren muss. Beim Hofer Filmfestival, in der „Hauptstadt des deutschen Films“ fand Asteris mit diesem Werk eine warmherzige und ermutigende Akzeptanz – als dieser Regisseur, der als Einziger daran glaubte, dass eine neue Ästhetik geschaffen werden könnte, und der mit einem recht kleinen Budget über vier Jahre darauf hin arbeitete, beseelt von seiner Überzeugung und seiner Beharrlichkeit, bis er sein außergewöhnliches Experiment zum Abschluss gebracht hatte.
Ich feiere das Ergebnis zusammen mit Asteris, denn sein Erfolg reflektiert unmittelbar mein eigenes Bemühen um eine „Musik ohne Grenzen“. In Asteris’ Filmwelt verbinden sich meine Lieder mit meinen Sinfonien, mit den Konzertaufführungen, Oratorien und Opern, basierend auf einer mathematischen Operation, die keine Addition, sondern Multiplikation bedeutet! Diese Tatsache beweist, dass die tiefe Verwandtschaft der Künste aus der gemeinsamen Genesis resultiert; d.h. es ist entscheidend, dass es Konstruktion / Konstruktivität gibt, dass Schöpfung stattfindet – unabhängig von der Natur des Werks, das der Komponist geschaffen hat. Mit seinem Filmwerk führt Asteris dem internationalen Publikum das vor Augen, was auch ein Beweis meiner Bemühungen um das gemeinschaftlich Inspirierende im Bereich der Musikkomposition ist. Ich wurde deshalb von den Verwaltern der sinfonischen Musik kritisiert, die das Lied für eine Musik zweiter Wahl halten. Und ich wurde dafür auch von Liedermachern kritisiert, weil ich es als Liedkomponist wagte, meine Lieder mit Zitaten aus meiner sinfonischen Welt zu bereichern.
Es gibt keinen zweiten Asteris, der als Freund und vor allem als Anhänger meiner Musik so viel Liebe und Leidenschaft entwickelt hätte, um das zeigen zu können. Aber es gibt natürlich noch mehr Menschen in Griechenland und auf der ganzen Welt, die dafür sorgen, dass ich mich mit der „Gattung Mensch“ immer wieder versöhnen kann. Nachdem ich diese Gattung in meiner Jugend kennengelernt hatte, flüchtete ich mich aus Angst vor ihr in mein Zimmer und schloss mich ein. Dadurch entdeckte ich die Musik, mein Hauptverteidigungsschild. Allerdings errichtete ich mir im Reich meiner Musik abermals ein kleines Sicherheitsgefängnis – und fand somit die Gründe für meine einstige Angst bestätigt. Somit reifte in mir die Dimension Angst mit der Zeit aus, die von mir „Untergangstheorie der Angst“ genannt wurde!
Mikis Theodorakis, 4. Mai 2018
Übersetzt ins Deutsche von Sofia Athanasaki
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